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Setsuyōshū 節用集

Überblick

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bildete sich in Japan ein neues Wörterbuch-Genre heraus, welches den NutzerInnen ermöglichte, die korrekte Schreibweise von japanischen und sino-japanischen Begriffen in chinesischen Schriftzeichen (kanji 漢字) zu ermitteln. Dies geschah über eine Einteilung der Lemmata nach phonetischen und semantischen Kriterien, wodurch es sich deutlich von solchen Schriftzeichenlexika unterschied, welchen das Prinzip der Radikalbestimmung zugrunde lag. In einem ersten Schritt wurden die Einträge zunächst entsprechend ihrer Anfangssilbe in Rubriken (bu_部) nach der Reihenfolge der Silben des iroha_いろは angeordnet. In einem zweiten Schritt wurden die Einträge dann gemäß ihrer Bedeutung in verschiedene Themenfelder (mon_門) unterteilt. Die effiziente Recherche stand dabei stets im Vordergrund, was sich auch in der Bezeichnung dieser neuen Nachschlagewerke als „Sammlungen für den zeitsparenden Gebrauch“ (setsuyōshū_節用集) widerspiegelte. Im Zuge der flächendeckenden Verbreitung des Holzblockdrucks im 17. Jahrhundert avancierten die setsuyōshū schnell zu einem bedeutenden Eckpfeiler des expandierenden Buchmarkts und stellten aufgrund der Einbindung von Inhalten enzyklopädischen Charakters (furoku_付録) zusätzlich zum eigentlichen Lexikonteil (goishū_語彙集) zunehmend auch eine Konkurrenz für andere Werke aus dem Bereich der Ratgeberliteratur (jitsuyōsho 実用書) dar. Noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts besaß das Wörterbuch-Genre der setsuyōshū eine große Bedeutung im Kontext der Förderung von Lese- und Schreibkompetenz sowie Allgemeinbildung, ehe es im Zuge der Modernisierung des Verlags- und Bildungswesen zunehmend an Bedeutung verlor. Insgesamt brachte das Genre in seiner rund 450 Jahre währenden Geschichte über 800 Titel hervor.


Der Ursprung des Genres

Über die Ursprünge des Wörterbuch-Genres der setsuyōshū_節用集 herrscht innerhalb der Forschung Uneinigkeit. Fakt ist, dass die ersten Exemplare, welche diesen Titel trugen, aus dem 15. Jahrhundert stammen und noch handschriftlich verfasst bzw. kopiert wurden. Heutzutage werden sie in Abgrenzung zu den ab dem Ende des 16. Jahrhunderts im Holzblockdruckverfahren hergestellten Exemplaren auch als „Altausgaben“ (kohon setsuyōshū_古本節用集) bezeichnet. Das älteste erhaltene setsuyōshū stammt aus dem Jahr Bunmei 6 (1474) und kursiert in der Forschung unter dem Titel Bunmeibon setsuyōshū_文明本節用集. Es besitzt 44 nach Anfangssilbe unterteilte Rubriken (bu_部) und 16 Themenfelder (mon_門). Zu den weiteren frühen Exemplaren, die überliefert sind, zählen u. a. das Meiō gonenbon setsuyōshū_明応五年本節用集 (44 Rubriken, 13 Themenfelder) aus dem Jahr Meiō 5 (1496) und das Ikyōshū_伊京集 (44 Rubriken, 13 Themenfelder), das ebenfalls auf das Ende des 15. Jahrhunderts datiert wird. Aufgrund der Tatsache, dass diese drei frühen Werke, ebenso wie weitere kohon setsuyōshū, im Hinblick auf das enthaltene Vokabular und die verwendeten Themenfelder zwar viele Gemeinsamkeiten aufweisen, jedoch keinesfalls identisch sind, geht die Forschung mittlerweile davon aus, dass noch ein früheres Exemplar, gewissermaßen ein Ur-setsuyōshū (genpon 原本), existiert haben muss. Theorien zu dessen Verfasserschaft gibt es zwar viele, abschließend geklärt ist diese jedoch nicht.


Die Bezeichnung des Genres

Gegenwärtig existieren verschiedene Theorien, woher sich der Name setsuyōshū_節用集 ableitet. Diese gehen jeweils auf unterschiedliche Aussprüche und Zitate aus klassischen chinesischen Werken zurück. Die am weitesten verbreitete Theorie sieht den Ursprung des Begriffs im ersten Kapitel der „Gespräche des Konfuzius“ (Rongo 論語), in dessen fünftem Abschnitt es heißt:

„Um ein Großreich mit tausend [Streit-]Wagen zu führen, muss man bei den [Staats-]Geschäften aufmerksam und aufrichtig sein, sparsam bei den Ausgaben vorgehen [setsuyō 節用] und sich um die Menschen fürsorglich kümmern [...].“

Eine weitere Theorie geht davon aus, dass der Begriff auf den „Klassiker der kindlichen Pietät“ (Kōkyō 孝経) zurückzuführen ist. Dort heißt es im sechsten Abschnitt über die einfachen Menschen (shojin 庶人):

„Sie folgen dem Weg des Himmels und unterscheiden die Vorteile der [unterschiedlichen] Böden [zum Bestellen der Felder]. Sie achten auf ihr Verhalten und Benehmen und sind sparsam in ihren Ausgaben [setsuyō 節用], damit sie ihre Eltern [entsprechend] versorgen können [...].“

Gemein ist diesen beiden Deutungsansätzen, dass der Begriff setsuyō mit dem Aspekt der Sparsamkeit in Verbindung gebracht wird, was wiederum gut zur Zielsetzung des Genres – dem zeitsparenden Ermitteln der Schreibung von Wörtern – passt. Andere Deutungsansätze, welche anhand abweichender Quellen mit dem Begriff setsuyō die „gelegentliche Nutzung“ in Verbindung bringen, existieren ebenfalls, sind in der Wissenschaft jedoch nicht sehr weit verbreitet. 


Die drei großen Tradierungslinien

Dem ersten Eintrag eines Wörterbuchs wird aufgrund seiner prominenten Position stets eine besondere Bedeutung beigemessen. Dies trifft auch auf das Genre der setsuyōshū_節用集 zu. Hier werden drei große Tradierungslinien unterschieden, die sich jeweils nach dem ersten Eintrag richten und ihren Ursprung in sogenannten „Altausgaben“ (kohon setsuyōshū_古本節用集) haben:

Die Tradierungslinie der isebon wird im Allgemeinen auf Werke wie das Bunmeibon setsuyōshū_文明本節用集 aus dem Jahr Bunmei 6 (1474) zurückgeführt. Die indobon gehen auf Werke wie das Kuromotobon setsuyōshū_黒本本節用集 (Ende 15./Anfang 16. Jh.) zurück, in welchem der Begriff Ise erstmals in einen Appendix (furoku_付録) am Ende des Druckes, der die Namen aller japanischen Provinzen gesondert auflistet, ausgelagert wurde. Die inuibon werden schließlich auf Werke wie das Ekirinbon setsuyōshū_易林本節用集 aus dem Jahr Keichō 2 (1597) zurückgeführt, welches den Begriff Ise ebenfalls in einen Appendix mit japanischen Provinznamen auslagert und den Begriff Indo ferner nicht der Rubrik „I“ い, sondern der Rubrik „Wi“ ゐ zuordnet.

Die genaue Genealogie dieser drei Tradierungslinien ist indessen bis heute nicht hinreichend ergründet worden. Neben Deutungsansätzen, welche die Auswahl der Anfangslemmata allein auf formale Aspekte wie die benannte Auslagerung von Provinznamen in eigene Appendizes oder die phonetische Unterscheidung des Minimalpaars i い und wi ゐ zurückführen, existieren Erklärungen, die eine Art bewusste Entscheidung zugunsten bestimmter religiöser Schulen sehen möchten. Hier wird der Eintrag Ise mit dem Shintō, der Eintrag Indo mit dem Buddhismus und der Eintrag inui mit dem Onmyōdō in Verbindung gebracht. Festzuhalten ist jedoch, dass in späteren Jahren insbesondere die Linie der inuibon einen großen Verbreitungsgrad besaß.

Nichtsdestotrotz gab es immer wieder auch Ausnahmen, bei denen das erste Lemma weder Ise, noch Indo oder inui lautete – beispielsweise die „Zeitsparende Sammlung für den Mann“ (Otoko setsuyōshū 男節用集) aus dem Jahr Kyōhō 1 (1716) mit „Yin und Yang“ (in’yō 陰陽) als erstem Eintrag. Insbesondere mit dem Erscheinen der „Sammlung zum zeitsparenden Gebrauch mit Schnellsuche“ (Hayabiki setsuyōshū_早引節用集) im Jahr Hōreki 2 (1752), bei welchen die Einteilung der Worteinträge neben der Anfangssilbe nicht über Themenfelder, sondern ihre Silbenanzahl geregelt wurde, ist eine große Divergenz zu erkennen. Schließlich begann die Rubrik „I“ mit einsilbigen Wörtern, wodurch weder Ise, noch Indo oder inui als Anfangslemmata in Betracht kamen.


Die Rubriken (bu 部)

Eines der zentralen Ordnungskriterien des Wörterbuch-Genres der setsuyōshū stellt die primäre Einteilung der Lemmata nach dem iroha_いろは-Silbenalphabet dar. Dieses Prinzip der phonetischen Anordnung (onbiki 音引き) von Wörterbüchern nach den 47 japanischen Silben wurde durch das im 12. Jahrhundert verfasste Werk „Auszüge von Wortgruppierungen nach dem iroha“ (Iroha jiruishō_色葉字類抄・伊呂波字類抄) begründet. Auffällig ist jedoch, dass bereits bei einem überwiegenden Teil der noch handschriftlich verfassten kohon setsuyōshū_古本節用集 darauf verzichtet wurde, für alle Silben der Minimalpaare i い / wi ゐ, e え / we ゑ und o お / wo を eigene Rubriken (bu_部) einzurichten. Stattdessen wurden diese häufig unter jeweils einer Silbe zusammengefasst, so zum Beispiel im Bunmeibon setsuyōshū_文明本節用集 aus dem Jahr Bunmei 6 (1474), das auf Rubriken für die Silben wi ゐ, o お und we ゑ verzichtet, jedoch ohne dass dies direkt im Werk erwähnt wird.

Auch wenn ein Großteil der späteren gedruckten setsuyōshū ähnlich verfährt und stets auf jeweils eine Silbe der genannten Minimalpaare verzichtet, heißt das jedoch nicht, dass alle bekannten setsuyōshū letztlich nur 44 Rubriken aufweisen. Ganz im Gegenteil, das Ekirinbon setsuyōshū_易林本節用集 aus dem Jahr Keichō 2 (1597) sorgte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts für einen regelrechten Boom von Werken, die wieder auf das vollständige Repertoire an 47 Silben zurückgriffen, ehe ab der Genroku-Zeit (1688–1704) erneut setsuyōshū mit 44 Rubriken zum Standard wurden. Davor und danach gab es jedoch auch immer wieder Experimente. So verzichtet das Onkodōbon setsuyōshū 温故堂本節用集 (Ende 16. Jh.) bspw. auf die Silben wi ゐ und o お, führt jedoch zwei getrennte Rubriken für die Silben e え und we ゑ an, was insgesamt 45 Rubriken ergibt. Und das „Wörterbuch zum rechtzeitigen Nachschlagen in dringenden Angelegenheiten“ (Kyūyō ma ni ai sokuza-hiki 急用間合即坐引) aus dem Jahr Tenmei 2 (1782) verzeichnet ganze 66 Rubriken, da bestimmte Langvokale (chōon 長音), zusammengezogene Laute (yōon 拗音) und stimmhafte Laute (yūseion 有声音) gesondert behandelt werden.


Die Themenfelder (mon 門)

Neben der Anordnung der Worteinträge nach phonetischen Kriterien in sogenannte Rubriken (bu_部) bildet auch die systematische Gruppierung von Worteinträgen nach semantischen Kriterien (imi bunrui 意味分類/igi bunrui 意義分類) in sogenannte Themenfelder (mon_門) ein zentrales Element des Wörterbuch-Genres der setsuyōshū. Dieses findet sich bereits in den noch handschriftlich angefertigten „Altausgaben“ (kohon setsuyōshū_古本節用集) aus dem 15. Jahrhundert, lässt sich historisch jedoch durchaus noch weiter zurückverfolgen. So arbeitet bereits das im 12. Jahrhundert verfasste Werk „Auszüge von Wortgruppierungen nach dem iroha“ (Iroha jiruishō_色葉字類抄・伊呂波字類抄) neben der Anordnung der Lemmata in 47 Rubriken auf einer zweiten Ordnungsstufe mit insgesamt 21 semantischen Kategorien, die das Auffinden der gesuchten Begriffe erleichtern sollen. Hierzu zählen unter anderem „Wettererscheinungen“ (tenshō 天象), „Landschaftselemente“ (chigi 地儀), „Pflanzen“ (shokubutsu 植物), „Tiere“ (dōbutsu 動物), „Lebensmittel“ (inshoku 飲食) und „Körperteile“ (jintai 人体).

Mit dem Aufkommen der ersten gedruckten setsuyōshū erfolgt schließlich eine zunehmende Systematisierung dieser semantischen Kategorien bei gleichzeitiger Reduzierung ihrer Anzahl. So weisen die kohon setsuyōshū im Durchschnitt nur noch 10 bis 16 Themenfelder auf, wobei sich schon damals ein festes Repertoire zu etablieren begann, das auch die Werke der späteren Jahre maßgeblich beeinflusste. Themenfelder, die sich bereits in den kohon setsuyōshū finden und in den nächsten vier Jahrhunderten größtenteils unverändert übernommen wurden, sind: „Himmlisches und Irdisches“ (tenchi 天地 bzw. kenkon 乾坤), „Jahreszeiten und Festlichkeiten“ (jisetsu 時節 bzw. jikō 時候), „Gräser und Bäume“ (sōmoku 草木), „Tiere und andere Lebewesen“ (chikurui 畜類 bzw. kigyō 気形), „Gefäße und Utensilien“ (zaihō 財宝 bzw. kizai 器財), „Hofämter und Ränge“ (kanmei 官名 bzw. kan’i 官位), „Zahlen und Maßeinheiten“ (suryō 数量) sowie „Worte und Ausdrücke“ (gengo 言語 bzw. genji 言辞). Andere Themenfelder wie „menschliche Beziehungen“ (jinrin 人倫) und „Personenbezeichnungen“ (jinmei 人名) oder „Lebensmittel“ (shokumotsu 食物) und „Kleidung“ (ifuku 衣服) wurden später häufig zu einem Themenfeld zusammengefasst und wieder andere wie „Arzneibezeichnungen“ (yakumei 薬名) und „Farben“ (kōsai 光彩) verschwanden gänzlich, da man sie in andere Bereiche eingliederte.

Wie in Bezug auf viele Aspekte der setsuyōshū können letztlich jedoch auch hinsichtlich der historischen Entwicklung der Themenfelder keine pauschalen Angaben gemacht werden. Beispielsweise wurden die Worteinträge in der „Zeitsparenden Sammlungen gleicher Wortgruppen“ (Gōrui setsuyōshū_合類節用集), die im Jahr Enpō 8 (1680) erschien, mit abweichender Systematik sortiert, indem als erstes Ordnungskriterium nicht deren Lautung, sondern ihre Zugehörigkeit zu einem der insgesamt 24 Themenfelder gewählt wurde. Erst in einem zweiten Schritt nahm man auch in diesem Fall eine Sortierung der Einträge nach 44 Silben vor. Einen gänzlich anderen Weg verfolgte schließlich die „Sammlung zum zeitsparenden Gebrauch mit Schnellsuche“ (Hayabiki setsuyōshū_早引節用集), die im Jahr Hōreki 2 (1752) auf den Markt kam. Diese verzichtete gänzlich auf die Untergruppierung der Worteinträge in Themenfelder und wählte stattdessen neben der Einteilung in Rubriken auf zweiter Stufe das Ordnungskriterium der Silbenanzahl. Tatsächlich stellte dieses Werk, das den Anstoß für eine ganze Reihe weiterer Werke, die nach demselben Prinzip verfuhren, gab, eine große Konkurrenz für klassische setsuyōshū dar, da die Suche nach den gewünschten Begriffen nun nicht mehr von einer teilweise sehr arbiträr anmutenden Zuordnung eines Begriffs zu einem bestimmten Themenfeld durch den Kompilator abhängig war.


Die Appendizes (furoku 付録)

Auch wenn setsuyōshū_節用集 ursprünglich in erster Linie als Nachschlagewerke zur Ermittlung der korrekten Schreibung bestimmter Begriffe in Kanji konzipiert waren, spielte die Einbindung von Zusatzinhalten enzyklopädischen Charakters in sogenannten Appendizes (furoku_付録) – vor dem Lexikonteil (kanshu furoku 巻首付録/kantō furoku 巻頭付録), über dem Lexikonteil (kashiragaki furoku 頭書付録) oder nach dem Lexikonteil (kanbi furoku 巻尾付録/kanmatsu furoku 巻末付録) – eine zentrale Rolle in ihrer Geschichte. Tatsächlich entwickelten sich diese mit Beginn des 18. Jahrhunderts zu einem unerlässlichen Bestandteil der Werke, der die Kaufentscheidung der RezipientInnen maßgeblich mitbeeinflusst haben dürfte. Dies spiegelt sich insbesondere in dem Umstand wider, dass die Anzahl an furoku, deren thematische Bandbreite und deren prozentualer Anteil am Gesamtwerk stetig zunahm, sodass sie bei späten Vertretern des Genres wie dem Druck „Großjapans ewig fortdauernder unerschöpflicher Wissensspeicher zum zeitsparenden Gebrauch“ (Dai Nihon eitai setsuyō mujinzō 大日本永代節用無尽蔵) aus dem Jahr Kaei 2 (1850) fast die Hälfte des Gesamtwerks einnahmen.

Die frühesten belegbaren furoku eines setsuyōshū gehen auf das Bunmeibon setsuyōshū_文明本節用集 aus dem Jahr Bunmei 6 (1474) zurück. In diesem finden sich eine Liste von Schriftzeichen mit minimalen Unterschieden in der Schreibung (tenkaku shōi ji 点画小異字), kurze Erörterungen der 72 Abschnitte des Jahres (shichijūnikō 七十二候) und der 24 Jahreszeiten (nijūshisetsu 二十四節), eine Zusammenstellung von Schriftzeichen zur Namensgebung nach dem Erreichen des Erwachsenenalters (nanoriji 名乗字), Auflistungen der Querstraßennamen Kyōtos (rakuchū yokokōji 洛中横小路) und der Längsstraßennamen Kyōtos (rakuchū tatekōji 洛中竪小路) sowie verschiedene Auflistungen von wichtigen buddhistischen Tempeln in Kyōto (Keijō gosan 京城五山), Kamakura (Kamakura gosan 鎌倉五山), Indien (Tenjiku gosan 天竺五山) und China (Shintan gosan 震旦五山), nebst Übersichten der fünf wichtigsten buddhistischen Nonnenklöster um Kyōto (bikuni gosan 比丘尼五山) und neun buddhistischer Tempel, deren Gründung Shōtoku Taishi (574–622) zugeschrieben wird (taishi no konryū kyūkasho garan 太子之建立九箇所伽藍).

Viele der genannten Appendizes des ersten nachweisbaren Exemplars des Genres setsuyōshū finden sich auch in den späteren handschriftlich verfassten Werken wieder. Hinzu kommen weitere typische Appendizes wie die zehn Kalenderzeichen (jikkan 十干) oder die zwölf Tierkreiszeichen (jūnishi 十二支), die sich auch in den gedruckten Werken seit dem Ende des 16. Jahrhunderts fast ausnahmslos finden. Vor allem die Quer- und Längsstraßennamen Kyōtos können als unverzichtbarer Teil eines jeden setsuyōshū genannt werden, bilden sie doch meist das Ende des Lexikonteils, der nicht gemäß des iroha-Silbenalphabets mit der Rubrik „Su“ す, sondern mit der Rubrik „Kyō“ 京 schließt. Mit dem Ende des 17. Jahrhunderts ist schließlich eine zunehmende Diversifizierung der Appendizes zu beobachten, die auf mehrere Gründe zurückgeführt werden kann. Zum einen ermöglichte der nun standardmäßig verwendete Holzblockdruck, auch aufwendigere furoku wie Stadtpläne oder Landkarten aufzunehmen und in hoher Anzahl zu reproduzieren. Zum anderen sorgte die zunehmende Konkurrenz auf dem expandierenden Buchmarkt dafür, dass man einzig durch immer neue Zusatzinhalte Anreize für den Kauf schaffen konnte, schließlich ähnelte sich das Vokabular des Lexikonteils (goishū_語彙集) in vielen Fällen sehr.

Seinen endgültigen Siegeszug als eine Art Haushaltsenzyklopädie trat das Wörterbuch-Genre der setsuyōshū dann mit Beginn des 18. Jahrhunderts an. Aufgrund der zahlreichen Illustrationen, die nun auch immer stärker die Lust der KäuferInnen nach optischen Extravaganzen stillen sollten, und neuer Inhalte wie Gedichtsammlungen, Menüzusammenstellungen, Briefvorlagen, Biografien historischer Persönlichkeiten, Anweisungen in verschiedensten Künsten, Verzeichnisse berühmter Orte und Tempel, Anleitungen zur Horoskoperstellung, Shōgi- und Go-Problemen stand das setsuyōshū schließlich in direkter Konkurrenz zu anderer populärer Gebrauchs- (jitsuyōsho 実用書) und Bildungsliteratur (kyōyōsho 教養書) wie Alltagsratgebern (chōhōki_重宝記), Briefstellern (ōraimono_往来物) und illustrierten Enzyklopädien (kinmō zui 訓蒙図彙). Anstelle des teilweise antiquierten Vokabulars rückte somit die Alltagsnähe der Werke immer stärker in den Vordergrund. Im Hinblick auf Appendizes stellen einzig die frühen „Sammlungen zum zeitsparenden Gebrauch mit Schnellsuche“ (hayabiki setsuyōshū 早引節用集), die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konzipiert wurden, eine Ausnahme dar, da aufgrund des häufig gewählten Querformats (yokohon 横本) schlichtweg kein Platz für ausufernde Zusatzinhalte gegeben war.


Der Schriftypus des Genres

Bei einem Wörterbuch, das sich die Ermittlung der korrekten Schreibweise einzelner Kanji sowie komplexer Komposita zum Ziel gesetzt hat, bildet die Wahl des Schrifttypus ein wichtiges Gestaltungselement. Dies trifft auch auf das Genre der setsuyōshū_節用集 zu, bei denen von Anfang an besonderer Wert auf die Darstellung der einzelnen Lemmata des Lexikonteils gelegt wurde.

Die sogenannten „Altausgaben“ (kohon setsuyōshū_古本節用集), welche im 15. und 16. Jahrhundert noch handschriftlich verfasst und vervielfältigt wurden, gehen hier ausgesprochen pragmatisch vor, indem die Haupteinträge überwiegend in gut leserlicher Standardschrift (kaisho_楷書), die teilweise in die Nähe der Kursivschrift (gyōsho_行書) rückt, gehalten sind und die zugehörigen Lesungen in ebenso gut lesbaren Katakana angegeben werden. Damit orientieren sich Werke wie das Bunmeibon setsuyōshū_文明本節用集 (1474) zwar im Wesentlichen an älteren Zeichenlexika wie dem Iroha jiruishō_色葉字類抄・伊呂波字類抄 (12. Jh.), weichen in gewissen Punkten jedoch deutlich von diesen ab. So besteht ein markanter Unterschied der kohon setsuyōshū darin, dass die Lesungen nicht wie im Iroha jiruishō unter den Haupteinträgen zu finden sind, sondern rechts bzw. links neben den zugehörigen Kanji stehen. Der Platz unter den Haupteinträgen ist bereits bei den kohon setsuyōshū allein Alternativschreibungen, Verwendungsweisen oder sonstigen Kommentaren, die in Bezug zum Haupteintrag stehen, vorbehalten. Ein weiterer Unterschied der kohon setsuyōshū zum Iroha jiruishō, der bereits beim Bunmeibon setsuyōshū in Erscheinung tritt, ist die Abkürzung identischer Anfangszeichen in aufeinanderfolgenden Einträgen durch einen Längsstrich „—“, beispielsweise in der Lemmatafolge „Iga 伊賀, Izu —豆 (anstatt 伊豆), Izu no umi —豆海 (anstatt 伊豆海), Iyo —豫 (anstatt 伊豫)“. Auch in den ersten gedruckten Werken des Genres wie dem Manjūyabon setsuyōshū 饅頭屋本節用集 (Ende 16. Jh.) fand diese Methode Anwendung.

Spürbare Impulse in Bezug auf die Gestaltung des Lexikonteils der setsuyōshū sind infolge der flächendeckenden Verbreitung des Holzblockdrucks auszumachen. So ging man dazu über, entsprechend des verwendeten rechteckigen Druckstocks eine Normierung der Seiten vorzunehmen, die sich vor allem in gleichmäßig verteilten Spalten – häufig waren es sechs bis acht – bemerkbar machte. Wesentlich bedeutsamer war jedoch der Vorstoß, die einzeilige Struktur der Einträge in Standardschrift durch eine zweizeilige Struktur aus Standard- und Konzeptschrift (sōsho_草書), deren Umsetzung beim handschriftlichen Verfassen der Werke wohl einen zu großen zeitlichen Aufwand bedeutet hätte, zu ersetzen. Diese Darstellungsweise hatte den großen Vorteil, dass NutzerInnen nun nicht nur Zeichen und Komposita gemäß ihrer Lautung recherchieren konnten, sondern gleichzeitig auch noch eine leicht zu imiterende Schreibvorlage vorfanden, die für die eigene Korrespondenz von Nutzen war.

Der erste nachweisbare Druck, der jenes Konzept verfolgte, stammt aus dem Jahr Kan’ei 15 (1638) und trägt den Titel „Sammlung zum zeitsparenden Gebrauch in zweizeiliger Struktur aus Standard- und Konzeptschrift“ (Shinsō nigyō setsuyōshū 真草二行節用集). Im Gegensatz zu späteren Werken, die in der Gestaltung des Lexikonteils auf die zweizeilige Struktur – fortan als shinsō nigyō_真草二行 bezeichnet – zurückgriffen, findet man in diesem Druck links neben den sechs regulären Spalten des Lexikonteils lediglich sechs weitere, deutlich schmalere Spalten, in denen ausschließlich die Standardschrift der Kanji der Haupteinträge ohne weitere Angaben verzeichnet ist. Dieses Prinzip wurde in späteren Werken insofern weiterentwickelt, als auch die in Standardschrift verfassten Einträge mit Furigana für alternative Lesungen einzelner Kanji oder Komposita versehen wurden, wobei man die Lesungen der Schriftzeichen in Standardschrift meist in Katakana und die Lesungen der Schriftzeichen in Konzeptschrift meist in Hiragana wiedergab. Eine womöglich zu erwartende Unterscheidung zwischen sinojapanischer Lesung (on’yomi 音読み) und japanischer Lesung (kun’yomi 訓読み) wurde auf diese Weise jedoch nicht in konsequenter Weise vorgenommen.

Ähnlich wie in Bezug auf andere Aspekte des Genres können auch hinsichtlich des Schrifttypus und sonstiger Gestaltungsmittel des Lexikonteils keine pauschalen Aussagen getroffen werden. So gab es durchaus auch in den Folgejahren noch Werke, die wie die „Zeitsparende Sammlung gleicher Wortgruppen“ (Gōrui setsuyōshū_合類節用集) aus dem Jahr Enpō 8 (1680) auf eine einzeilige Struktur in Standardschrift, die „Zeitsparende Sammlung für den Mann“ (Otoko setsuyōshū 男節用集) aus dem Jahr Kyōhō 1 (1716) auf eine einzeilige Struktur in Kursivschrift oder die „Zeitsparende Sammlung für die Frau“ (Onna setsuyōshū 女節用集) aus dem Jahr Hōei 6 (1709) auf eine einzeilige Struktur in Konzeptschrift zurückgriffen. Andere Gestaltungsmittel wie Textrahmungen von Quellenangaben oder Punkte zur Trennung einzelner Lemmata waren ebenfalls weit verbreitet, unterscheiden sich in der Art und Weise der Anwendung und der Häufigkeit ihres Vorkommens jedoch von Werk zu Werk, was letztlich ebenfalls darauf zurückzuführen ist, dass die Verleger immer wieder auf der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen waren, um potenzielle RezipientInnen zum Kauf zu bewegen.